Sonntag, 10. Juli 2011

Ruf. Nicht. An.

Sie und mich verbindet eine endlose Telefongeschichte.
Früher lag es an 500 Kilometern Atemraum zwischen Berlin und Ruhrgebiet. Seit ich oben wohne, sorgen die Anrufe für brüchige Distanzen. Die Illusion, dass doch mehr als ein Blatt zwischen Mutter und Tochter passt. Solche Lügen sind uns Trickbetrügerinnen angenehm. Symbiose, ein fahl leuchtendes Schimpfwort. Der Versuch, uns zu entfernen und wiederzufinden, gleicht dem Irrsinn, damals, vor dem Umzug. Meine Nächte, Crashkurs in Überleben, bis zu zehn Anrufe vorm Morgengrauen. Es kam vor, dass ich nicht mehr abnahm. Ruhe war dennoch nie. Ich weinte, wenn mich Bilder plagten - von einem Paar alter Schuhe unter einem leeren Fensterbrett. Von Mutters nikotindunklen, fern wehenden Gardinen. Wie anklagend kann ein abgeschaltetes Handy aussehen? Aber sie hat sich selbst gerettet. Mal um Mal. Seit die Ärzte ihr befehlen, die Angst unten mit sich selbst auszutragen, ruft sie ab und zu minütlich an. Wenn es hell wird oder dunkel, wenn Türen zufallen. Bist du noch da? Du, ich, ihr Kind, Eigentum, Wärterin und Gefangene in einem. Weil sie mich versteht, hat Mutter eine List ersonnen. Ich wollte dir nur mitteilen, wie lieb ich dich hab, sagt sie am Handy. Sie weiß, ich werde nicht auflegen.

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