Freitag, 1. Juli 2011

Die da oben

Ihre Mutter hörte das Steigerlied und Mignon. Aus der Heizung. Manchmal summte sie mit. Sehnsucht blieb für sie bis zuletzt auf Sendung.

Meine Mutter hört auch Stimmen. Sie kommen nicht aus der Heizung. Sie kommen von oben. Die da oben singen "Das Ännchen von Tharau".

"Die da oben" wissen davon nichts. Auf der Fußmatte vor ihrer Tür steht "welcome @". Von da oben hört meine Mutter das Ännchen. Und Nazilieder. Die Fahne hoch. Die Reihen fest geschlossen.

Aus Wut darüber klettert sie aus dem Bett. Die Wut macht sie schmerzfrei. Plötzlich kann sie aufrecht stehen. Reckt das zornige spraygefestigte Medusenhaupt. Ich soll Schluss machen mit dem Gesang. Die sollen endlich aufhören!

Beim Ännchen singt sie leise mit. Das Lied für Anna Neander wird zum Lied ihres eigenen Lebens:
Dies ist dem Ännchen die süßeste Ruh',
Ein Leib' und Seele wird aus Ich und Du.
Dies macht das Leben zum himmlischen Reich,
Durch Zanken wird es der Hölle gleich.

Als ich vor ein paar Tagen meinem Bruder die Bohemian Rhapsody der Porkka Playboys vorspiele, ist sie entsetzt. Das findet ihr schön? fragt sie uns.



Das Ännchen, Simon Dach, Horst Wessel und Freddy Mercury leben mit uns unter einem Dach.

Nothing really matters? Das nicht. Aber fast.

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