Gestern hatte ich ein eigenes Problem. Das ist heutzutage für Menschen wie mich beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr. Meist habe ich andere Schwierigkeiten, da ich hauptberuflich die Probleme meiner Mutter verwalte. Diesmal jedoch ging es um meine Beziehung, die ihr nicht wirklich passt. Obwohl sie den Mann mag. Aber niemand ist nun mal leider mein Vater. Der seinerseits ruht seit Jahren unter Stiefmütterchen, friedhofsdunklen Koniferen und einem winzigen japanischen Ahorn, den ich gepflanzt habe. Und wird wiederum von einem namenlosen Gärtner verwaltet. Vater hat deshalb auch keine Probleme mehr. Zumindest keine sichtbaren. Mutter beobachtet seinen Konkurrenten, den Mann, den ich ihr mit aufdrängte, als ich mich für sie entschied, mit Argusaugen. Dabei tarnt sie sich geschickt. Lediglich eine zitternde Unterlippe oder ein zu schnell geschluckter Bissen der gemeinsamen Abendmahlzeit verrät, was sie denkt. Sie hat die spitze Zunge der frühen Jahre gezähmt - angesichts ständiger, unausgesprochener Fragen der Abhängigkeit von Töchtern kommt Kritik gar nicht gut. Zum Streiten wandern mein Freund und ich, aus Rücksicht auf ihre Gefühle und Trommelfelle, in diverse Cafés des Städtchens aus, die uns weder gefallen, noch das Flair vermitteln, das wir zur Beruhigung des losgelassenen Affengeistes brauchen würden. Dort hält man uns für eine buddhistische Theatertruppe, weil wir zwischen den Dezibelrekorden mit Begriffen wie "abhängiges Entstehen" um uns werfen. Am Ende kehren wir erschöpft heim zu ihr. Das hier ist anders als Berlin. Man muss sich nicht nur den Kellnern, sondern auch den greisen Erziehungsberechtigten erklären. Du tust mir so leid, sagt Mutter dann. Hattet ihr Streit? Ist alles wieder gut? Wenn nicht, könnte eine ganze Welt auseinander fliegen.Aber sie meint gar nicht mich. Und es fehlt auch ein Halbsatz. Korrekt würde es heißen: Du tust mir so leid, denn diesen Menschen da, den du unglaublicherweise liebst und der prima Fenster putzen kann, dreh wie du willst. Er wird doch niemals wie dein Vater! Das Beben des Triumphes am Boden ihrer Stimme ist dennoch nicht zu überhören. Eigentlich bewundert sie meinen Freund. Dafür, dass er ihre geliebte Wärterin in Schach hält. Ambivalenz ist das Bergwerk ihres Alters.
Schuften im Dunkeln. Bis zum Umfallen.
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