Montag, 27. Juni 2011
Katzen als Joker
Als ich im Januar zu meiner Mutter zog, in die Fünfquadratmeterzelle neben ihrem Schlafzimmer, konnte es vorkommen, dass sie mich mit verschwörerisch leiser Stimme zu sich rief. Sieh mal, sagte sie dann leise, da ist sie wieder.
Sie erhält nächtliche Katzenbesuche. Manchmal auch tagsüber, als Trostpreise. Mal huschen sie zu ihr ins Bett. Oder sie begnügen sich mit einem Platz auf dem Rollstuhl. Sie schnurren vor sich hin. Oder sind gemessen auf Abstand bedacht.
Aus dem trivialen Blickwinkel des Sohns sind die Katzen eine gebrauchte Windel, eine zu bügelnde Hose, ein pollenverschmierter Kastanienast.
Die Katzen lenken ihren Blick in eine andere Welt. Manchmal entstehen da Filme, oft obszönen Inhalts (und ob das szön ist ...), im Leben der Anderen, auf der anderen Straßenseite, bei der japanischen Großfamilie.
Meine Mutter kennt Shozo Numa nicht, den Autor des Romans Yapoo, ein mild in die Zukunft projizierter Science Fiction, in dem eine Herrenrasse über ihr Glück gebietet. Zur Vervollkommung ihres Glücks dient eine Sklavenrasse, begabt, ihre Körper jedwedem Wunsch ihrer Herren anzupassen. Ich stieß auf Yapoo, als ich an einem kühlen Herbstabend meinen japanischen Freund bat, meine Decke zu sein.
Er schrie entsetzt-begeistert: Yapoo - iiiäää! Und erzählte mir die story des Romans.
Die Katzen sind das Yapoo meiner Mutter, Joker und Platzhalter einer ausfransenden Realität, die sich bereit hält, Zeugen ihres Daseins, lockende Erinnerungen an Pinki, den Kater des Vaters ("erst der Kater, dann der Vater" - bedichtete Vater den Tod seines Katers, dem bald der eigene folgte) und ihren Kater Mikesch.
Einspruch zwecklos. Sie sind da.
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Das sind schoene Sätze. Über eine vermutlich ziemlich traurige Wirklichkeit. Danke..
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